Montag, 4. Mai 2020

Die Funktion der Figur Bell für den Roman

Koldeweys Verehrung für Gertrude Bell wird im Roman überdeutlich. Dabei spielt auch ihre Reputation bei archäologischen Ausgrabungen eine Rolle, bei denen Frauen ja seiner Meinung nach nichts zu suchen haben. Ihr zollt er aber Anerkennung! Auch Eifersucht kommt hinzu, denn es geht das Gerücht, Bell habe einen Liebhaber (was übrigens der Realität entspricht, denn sie hatte seit dem Frühling 1913 ein Verhältnis mit dem britischen Offizier Charles Doughty-Wylie).
Die Autorin suggeriert uns, dass ihr Held auf irgendeine Weise in Bell verliebt ist: er vergisst seine Krankheit, springt übermütig die Treppe hinab und läuft ihr entgegen.
Der Leser ist erfreut: endlich passiert mal was! Wir freuen uns mit Koldewey auf die Begegnung. Leider bricht der Roman kurz davor ab. Was wir statt dessen bekommen, ist die Schilderung des Laufs quer durch Babylon, vorbei an allen architektonischen Höhepunkten bis hin zum Turm von Babel, an dem Bell ihre Messungen macht (S. 163-202, 246-267). Bell ist für die Autorin nur das Mittel zum Zweck, diesen spektakulären Lauf durch die Stadtlandschaft in die Architektur ihres Romans einzubauen, und diese Architektur ist bestimmt von der Parallelität der beiden Städte Babylon und Berlin. Es gibt ja noch den anderen Lauf Koldeweys: den durch Berlin zum Kaiser, der seine Ausgrabungen seit Jahren großmütig unterstützt (S. 205-243). Dazu im nächsten Bericht mehr.