Merkwürdig: Die viereinhalbmonatige Rundreise auf Kamelen durch die syrische Wüste hat Gertrude Bell vom 16.12.1913 bis zum 1. Mai 1914 gemacht. Vom 26.3.-12.4. 1914 legte sie in Bagdad eine Pause ein. Währenddessen machte sie einen mehrtägigen Besuch bei Robert Koldewey im nahen Babylon (30.3.-1.4.). Dieses Treffen beziehungsweise die Tagebuchberichte und Briefe Bells darüber bilden die Grundlage für die im Roman beschriebenen Szenen. Allerdings kam er ihr nicht entgegen, sondern sie suchte ihn im Expeditionshaus auf.
Cusanit lässt den Roman aber im Jahr 1913 spielen. 1913 war Bell jedoch bis November in London. Warum diese Zeitverschiebung?
Da Cusanit auch den in der zweiten Hälfte beschriebenen Besuch Koldeweys in Berlin ein Jahr früher datiert (1909 statt 1910) vermute ich, dass die Autorin ihr literarisches Koldewey-Bell-Universum einfach ein Jahr vorverlegt, um in dieser erfundenen Dimension größere dichterische Freiheit zu haben. So nah sie auch an ihren Protagonisten ist, so groß ist doch der Anteil der literarischen Phantasie, zum Beispiel, wenn sie uns Koldeweys Gedanken und Wahrnehmungen schildert, aus denen ja letztlich das ganze Buch besteht. Und so kann sie Koldewey in freudiger Erregung Bell entgegenlaufen lassen, was ja für die Struktur des Romans eine wichtige Sache ist.
Vielleicht spielt auch das sehr erfolgreiche Buch von Florian Illies über das "Wunderjahr" 1913 eine Rolle, das 2012 erschienen war und viele Auflagen erlebt hat. 1913: Das klingt einfach sympathischer als das schreckliche Kriegsjahr 1914.
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